Mit einer speziellen Mikroskopietechnik wird an der TU Wien Hirngewebe Schicht für Schicht durchleuchtet, um der Alzheimerkrankheit auf die Spur zu kommen.
Senile Plaques sind Ablagerungen, die sich im Gehirn von Alzheimerkranken bilden. Bestimmte Proteine verklumpen, lagern sich ab und behindern die Kommunikation zwischen einzelnen Nervenzellen. Nachdem es keine Möglichkeit gibt, die Plaques im Gehirn von lebenden menschlichen Alzheimerkranken nachzuweisen, ist man auf Versuche mit Mäusen angewiesen, wenn man die Entwicklung der Alzheimerkrankheit besser verstehen will. An der TU Wien konnte nun gezeigt werden, dass das mit einem speziell entwickelten Ultramikroskop bestens gelingt. Damit steht nun ein neues, mächtiges Instrument für die Alzheimerforschung für zur Verfügung.
Ganz statt scheibchenweise
Mäuse, die an Alzheimer erkranken, verwendet man in der Forschung schon lange. Bisher musste man das Gehirngewebe der Mäuse sorgfältig in dünne Scheiben schneiden, einzeln auf Plaques untersuchen und die Ergebnisse auf das gesamte Gehirn hochrechnen – eine zeitaufwändige und teure Angelegenheit.
An der TU Wien analysiert man biologisches Gewebe mit einem speziellen Ultramikroskop. Dabei bleibt das Gewebe ganz, es wird bloß Schicht für Schicht mit einem Laser durchleuchtet. „Bestimmte Moleküle werden durch den Laser zum Fluoreszieren angeregt und damit sichtbar gemacht. Aus den Bildern der einzelnen Schichten lässt sich schließlich am Computer ein dreidimensionales Bild der fluoreszierenden Strukturen zusammenfügen“, erklärt Dr. Nina Jährling vom Institut für Festkörperelektronik der TU Wien. Sie gehört dort zum Team der Abteilung Bioelektronik, geleitet von Prof. Hans-Ulrich Dodt.
Mit einer speziellen Chemikalie kann man erreichen, dass die Plaques fluoreszieren. Sobald sie vom Laser beleuchtet werden, leuchten sie unter dem Ultramikroskop hell auf, das eigentliche Hirngewebe hingegen bleibt dunkel. So ist es möglich, statt der üblichen 2D-Analysen ein 3D-Bild aller senilen Plaques im Mäusehirn zu erstellen.
Damit das gelingt, muss das Gewebe sehr lichtdurchlässig sein. Die Proben werden daher vor der Untersuchung entwässert und in Lösungen eingelegt, die ganz ähnliche optische Eigenschaften haben wie das Gewebe selbst – dadurch wird die Probe beinahe transparent. Als „chemische Gewebeklärung“ wird dieses Verfahren bezeichnet.
Schneller und einfacher
„Unsere Ultramikroskopie-Methode ist sehr präzise, wir können sogar winzige Plaque-Strukturen mit einer Größe von etwa acht Mikrometern erkennen“, sagt Dr. Nina Jährling. Die Ergebnisse der Ultramikroskop-Messungen wurden mit den Ergebnissen herkömmlicher histologischer Verfahren verglichen. „Die Resultate sind einander sehr ähnlich. Aber unsere Methode ist viel schneller und einfacher, damit kann man wichtige Fragen der Alzheimer-Forschung untersuchen, die sonst der Forschung in dieser dreidimensionalen Form nicht zugänglich wären.“
Dr. Nina Jährling, Dr.Klaus Becker und Prof. Hans-Ulrich Dodt von der TU Wien arbeiten in ihrem Ultramikroskopie-Projekt eng mit der neurologischen Universitätsklinik in Tübingen (Prof. Mathias. Jucker und Team) zusammen. „Die Zusammenarbeit ist für beide Seiten höchst spannend – man sieht, welche Erfolge möglich sind, wenn Technik und Medizin heute ganz eng kooperieren“, sagt Jährling. Auch mit der MedUni Wien kooperiert das TU-Team eng.
Die Ultramikroskopie, also die Lichtblattmikroskopie an geklärten Präparaten, wurde an der TU Wien entwickelt. „Sie hat sich inzwischen weltweit verbreitet und es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht eine neue Publikation mit dieser Technik in den besten wissenschaftlichen Journalen wie Nature, Science oder Cell erscheint“, sagt Nina Jährling. „Insbesondere die Verfahren zur Gewebeklärung sind zur Zeit eines der heißesten Themen in Biologie und Medizin Dr. Saiedeh Saghafi erzielte große wissenschaftliche Erfolge mit der Weiterentwicklung von speziellen Objektiven und einem möglichst dünnen Laserband für die Ultramikroskopie. Dr. Klaus Becker konnte in histologischen Studien zeigen, wie man die Fluoreszenz der Gewebeproben mittels eines selbstzusammengestellten Harzes langfristig erhalten kann. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe arbeitet auch in Zukunft mit neuen neurowissenschaftlichen und optischen Fragestellungen an der Ultramikroskopie weiter.
Originalpublikation
Rückfragehinweis:
Dr. Nina Jährling
Institut für Festkörperelektronik
Technische Universität Wien
Floragasse 7, 1040 Wien
T: +43-1-58801-36263
nina.jaehrling@tuwien.ac.at
Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at